Dieser Text ist ein Repost und zuerst erschienen auf piqd.de und torial.com am 21.7.2022
In dieser Folge der Kolumne geht es um den Wert unbezahlter Arbeit, die Nutzer:innen freiwillig auf Online-Plattformen ableisten, das juristische Finale des Hin-und-Hers um den Twitterkauf von Elon Musk – und eine Künstliche Intelligenz, die aus Textanweisungen Bilder generiert.
So viel ist die unbezahlte Arbeit der Reddit-Moderator:innen wert
Die Plattform Reddit mag aktuell wenig in den Schlagzeilen sein, es geht mittlerweile eher um Twitter (siehe unten), TikTok oder Instagram. Aber: Reddit ist angesichts seines Prinzips der Nutzer:innenbeteiligung eine höchst spannende Plattform und bleibt eine viel genutzte Seite, die im Juni 2022 rund 1,6 Milliarden Aufrufe zählte laut Statista.
Nutzer:innen gruppieren sich auf Reddit in Untergruppen, den sogenannten Subreddits. Thematisch ist alles dabei: von Popkultur über Tipps für Eltern bis hin zum Morbiden. Die Reddit-Moderator:innen kommen aus der Community selbst und organisieren die Debatten in ihren Bereichen ehrenamtlich. Oft stecken sie viele Stunden Arbeit pro Woche in die Plattform, und kriegen für ihren Dienst oft auch derbe Kritik von anderen Nutzer:innen ab.
Eine neue Studie der Northwestern Universität in den USA hat nun unter dem Titel „Measuring the Monetary Value of Online Volunteer Work“ untersucht, wie hoch dieser unbezahlte Einsatz im Netz eigentlich zu beziffern ist – und berührt damit interessante Fragen nach dem Wert der Arbeit, die Nutzer:innen in Plattformen wie Reddit oder auch Dienste wie Google Maps stecken. Ohne den Einsatz der Nutzer:innen wäre das Produkt der Unternehmen schließlich viel weniger wert – oder gar völlig wertlos. Hier könnt ihr die Studie auf Englisch nachlesen (pdf).
Das Ergebnis der Studie: Die Ehrenamtlichen bei Reddit leisten pro Jahr unbezahlte Arbeit im Wert von 3,4 Millionen US-Dollar. Das entspricht etwa drei Prozent der Einnahmen von Reddit.
Durchgeführt hat die Studie Stevie Chancellor, zusammen mit ihren Kollegen Hanlin Li und Brent Hecht von der Northwestern University in Illinois. Chancellor war selbst jahrelang Moderatorin für mehrere Subreddits, gab die Aufgabe nach eigenen Angaben aber letztlich auf. Das Team der Universität werteten unter anderem Log-in-Datensätze von Moderatoren aus und führten Interviews mit 40 Reddit-Moderatorinnen und -Moderatoren.
Anders als zum Beispiel Wikipedia geht es bei Reddit durchaus um unternehmerische Gewinne. Wäre es da nicht gerecht, wenn die Plattform ihre Moderator:innen bezahlte, ohne die die zahllosen Subreddits nicht gut lesbar wären? Oder ginge damit der Funken von Anarchie und Eigenwilligkeit verloren, der die Plattform so besonders macht?
Die Tagesschau hat für einen Beitrag vom 10. Juli bei Studien-Autorin und Ex-Moderatorin Chancellor nachgefragt. Die wiegelt ab und will die Ergebnisse ihrer Studie nicht skandalisiert wissen. „Es ist kompliziert, denn die Freiheit und Unabhängigkeit von der Plattform ist ein eigener Wert.“
Wichtiger als Geld sei, mehr über die Belastungen nachzudenken, denen Moderator:innen im Netz ausgesetzt seien. Dass der Beruf der Community- oder Content-Moderation mit massiven psychischen Belastungen einher gehen kann, haben Studien und mediale Enthüllungen aus Moderationsteams, etwa bei Facebook, gezeigt.
Auch Chancellor beschreibt im Gespräch mit der Tagesschau: „Ich habe mich etwas ausgebrannt gefühlt, und ich hatte Probleme, weil ich dort als Moderatorin belästigt wurde.“ Ihrer Meinung nach sei es daher wünschenswert, wenn das Unternehmen den Moderator:innen von Content mehr Angebote machte, wie sie mit den psychologischen Belastungen, die mit dem Moderationsjob einher gehen, besser umgehen können.
Als Lesetipp zum Schluss sei euch dieser aktuelle, kostenpflichtige Text aus dem „Manager Magazin“ ans Herz gelegt: Es geht um den Deutschen Torben Mauch. Er hat privat 73.432 Bilder bei Google Maps hochgeladen und liefert so Millionen anderer Nutzer:innen wertvolle Einblicke an Orte, die sie interessieren. Natürlich: unbezahlt.
Twitter-Kauf vor Gericht: Zeigt eine Richterin Elon Musk seine Grenzen auf?
In der vergangenen Ausgabe #24 dieser Kolumne schrieb mein Kollege Simon Hurtz treffend zum Hin und Her um den vom Tesla-Milliardär avisierten Kauf des Kurznachrichtendiensts Twitter: „Das monatelange Drama um den Vielleicht-jetzt-aber-ganz-sicher-oder-doch-nicht-Kauf nervt alle Beteiligten, einschließlich Musk und der Twitter-Angestellten.“
Seitdem hat sich einiges getan und Musk hat verkündet, den Kauf doch nicht durchziehen zu wollen. Das Milliarden-Gezerre ist damit aber noch lange nicht vorbei, sondern tritt nun vielmehr in seine finale Runde, die vor Gericht entschieden werden wird. Musks Deal oder Nicht-Deal liegt dabei in den Händen von Richterin Kathaleen McCormick aus dem Mini-Bundesstaat Delaware.
Das ist für seine unternehmerfreundlichen Gesetze bekannt, was auch Twitter in den zweitkleinsten Bundesstaat der USA gelockt hat. McCormick wiederum ist nicht dafür bekannt, sich angesichts von milliardenschweren Prozessbeteiligten entmutigen zu lassen, wie der SPIEGEL es in einem Artikel beschreibt.
Das Urteil ist noch nicht gefallen, aber Beobachter räumen Musk mit seiner Verteidigungsstrategie nur geringe Chancen ein. Es könnte also passieren, dass McCormick Musk gerichtlich zum geplanten und dann wieder verworfenen Twitter-Kauf zwingt. Für beide Seiten letztlich keine sonderlich erfreuliche Aussicht, selbst wenn Twitter formell Recht bekommen sollte.
Musk mag ein auch unternehmerisch erfolgreicher Vordenker sein, seine Aussagen zu Meinungsfreiheit und der Rolle von sozialen Netzwerken im digitalen Diskurs irritieren jedoch. Wie sich der Tech-Visionär verhalten wird, wenn ihm nun ein Gericht seine Grenzen aufzeigt und zum teuren Kauf von Twitter verpflichtet? Irgendwie scheint es nicht ganz abwegig, zu denken, dass er ziemlich bockig reagieren könnte.
Diese KI malt, was wir wollen
Die Bilder von Googles „Deep Dream“-Software gehören für mich zu einem der faszinierendsten Kunst-Experimente im Internet der vergangenen Jahre. Ein künstliches Netzwerk aus simulierten Nervenzellen dachte bereits 2015 normale Fotos „weiter“. Nachdem die Forscher des Unternehmens um den Russen Alexander Mordvintsev den „Deep Dream“-Quellcode auf der Programmier-Plattform GitHub veröffentlicht hatten, durften alle mitmachen. Es entstanden psychedelische Videos und Traumsequenzen.
Das ist schon rund sieben Jahre her, auch wenn man es kaum glauben mag. In den vergangenen Wochen hatte ich wieder viel Freude daran, Bilder zu entdecken, die sich eine von kreativen Nutzer:innen angeleitete Software ausgedacht hat: DALL-E Mini heißt die auf einer Künstlichen Intelligenz basierende Software, der man im Browser kostenfrei Anweisungen geben kann. Das Programm spuckt dann die entsprechenden Bilder aus. Dieses Subreddit sammelt gelungene und oft ziemlich witzige Beispiele.
Hinter dem Unternehmen Open AI, das für DALL-E Mini verantwortlich ist, stehen übrigens Elon Musk und Microsoft als Finanziers – alle Themen dieser Kolumne sind dieses Mal also irgendwie miteinander verwoben.
Nutzer:innen im Netz haben zwar viel Spaß mit DALL-E Mini. Aber der Kreativität und Qualität der Ergebnisse sind doch oft noch Grenzen gesetzt. In vielen meiner Versuche kam auch oft kein interessantes Ergebnis heraus, die Wartezeit betrug oft ein bis zwei Minuten (was natürlich absolut akzeptabel ist).
Aber: Das Potenzial ist riesig, und es wird ungeahnte und bereits jetzt absehbare Anwendungsfälle geben. Der US-Tech-Journalist Casey Newton zum Beispiel lässt DALL-E schon mal los, wenn es um die Bebilderung seiner Artikel geht, hier zum Beispiel. Auch ich habe für das Bild zu dieser Kolumne DALL-E Mini beauftragt.
Natürlich gibt es auch ein offensichtliches Missbrauchspotenzial. Wohl auch darum hat Open AI dem Gros der Nutzer:innenschaft bisher auch nur Zugriff auf eine abgespeckte Verison gegeben. Im Vergleich zum Netz-Generator ist das DALL-E 2 Original angeblich 27-Mal umfangreicher und leistungsfähiger. Der Zugang zu dieser ungleich mächtigeren Software ist noch beschränkt. Ich stehe auf der Warteliste. Und bin sehr gespannt.