Ich habe noch nie eine der 4664 Folgen von Verbotene Liebe gesehen. Dabei ist die Serie mit ihren 20 Jahren fast so alt wie ich, eine öffentlich-rechtliche Kitsch-Konstante. Wir hätten gemeinsam erwachsen werden können. Habe ich etwas verpasst? Heute habe ich die letzte Chance ergriffen und mir zum ersten Mal eine Folge angesehen. Die letzte, die ausgestrahlt wird.

Ich kenne Leute, die seit langem Fan sind und meine Seifenoper-Ignoranz nicht fassen können. Auch eine gute Freundin von mir, Anne, schaut Verbotene Liebe, seit sie zehn ist. On and off. Es sei so etwas wie ihr persönliches Wetten, dass…?!, eine Konstante in der Fernsehwelt, die immer da war. Ich frage Anne, was für sie den Reiz von Verbotene Liebe ausmacht und was ich vor meinem ersten Sehtermin wissen muss. Sie antwortet mir:

Es läuft immer nach dem gleichen Muster: Irgendwer verliebt sich und dann geht alles kaputt, davor gibt’s ein kurzes Happy End. Da kann man sich drauf verlassen. Und man kann auch nach monatelanger Pause wieder einsteigen, ohne Verständnisprobleme.

Das macht mir Mut. Ich ergreife die die letzte Chance und schalte zum Finale um 18.50 Uhr auf ARD ein. (Ich starte den Stream.) Auf der ARD-Seite sehe ich mir zur Vorbereitung die Bildergalerie der leidenschaftlichsten VL-Küsse an.

Es geht los. Forbidden lohoove, goes straight to your heart…

ARD-Programmdirektor Volker Herres lobte die Serie dafür, dass sie früh Themen wie Homosexualität aufgegriffen hat. Von diesem modernen, rebellischen Charakter der Serie merke ich in der letzten Folge nichts. „So wohnt doch kein Mensch“ denke ich mir bei jeder Kamerafahrt um die Luxusvilla, das Schloss (wtf, ein Schloss?), die teuren Karren.

Wie alle Seriendarsteller sind auch die bei Verbotene Liebe perfekt frisiert, egal wie schwer der Schicksalsschlag ist. Jobs scheinen sie nicht wirklich zu haben. Außer in Büros rein- und dann wieder rauszustürmen. Mein Lieblingssatz kommt von der blonden Tanja, die über einen Kontrahenten in New York sagt: „Dem gehört quasi das ganze Internet.“

Auch wenn mir die Serie sehr spielfilmmäßig angelegt vorkommt: Viele Soap-Klischees bestätigt die letzte Folge von Verbotene Liebe also – und liefert damit gleich einen Erklärungsansatz, warum die Vorabend-Serie so nicht mehr funktionieren kann.

Storymäßig wird groß aufgefahren: Es gibt einen Mann im Knast (offenbar irgendwie teilweise unschuldig), einen verlorenen Sohn, eine um ihr Leben betrogene junge Frau, doppelte Identitäten und inzestuöse Kabalen. Die ganzen Namen kann ich mir gar nicht merken. Der Serien-Bösewicht ist ganz klar Ansgar, ein Fiesling mit zurückgegeelten Haaren und Anzug. Die Sexbombe ist Kim, seine Tochter. Sie hat deshalb auch gleich zwei Männer zur Auswahl.

Was ich groß finde am Finale von Verbotener Liebe: Es ist keines, das alle losen Enden verbinden will, jeden Charakter zu seinem vom Publikum ersehnten Wunschpunkt bringt. Ich hatte fest mit einer Hochzeit gerechnet, aber das VL-Ende ist düsterer als gedacht. Zum Glück haben sich die Autoren nicht J. K. Rowling zum Vorbild genommen, die Harry Potter nach einem kitschigen „Happily ever after“-Epilog bis heute nicht in Ruhe lassen kann. Kim ist irgendwann einfach weg. Wen sie wählt? Keine Ahnung. Was mit Tanja und dem Typ im Knast passiert? Unklar.

Das ist gut so. Serienfans dürfte das weh tun. Mir nicht. Der Reiz von Verbotener Liebe liegt im Ritual, der Wiederholung. Mir können die Charaktere nicht ans Herz wachsen und ich weiß, es ist bald vorbei. Neugier aufbauen lohnt sich also auch nicht, finde ich.

Zum Schluss wird dramamäßig groß aufgefahren, mit Slow-Mo-Kamera und Blaulicht. Mila, die auch Steffi heißt und eine zentrale Figur ist, hat mit ihrem Martin in der finalen Folge nur ein kurzes Happy End, dann geht alles kaputt.

Genau so hat es meine Freundin Anne vorhergesagt.