Machen Videokameras unser Leben sicherer? Wie sieht das Verhältnis von Überwacher und Überwachtem aus? Um diese Fragen dreht sich die aktuelle Ausstellung im Berliner Museum für Kommunikation. Ich war da und habe mich umgesehen.
Ich fühle mich beobachtet. Und bin es auch. Wer die Ausstellung „Außer Kontrolle? Leben in einer überwachten Welt“ in Berlin betritt, hat über seinem Kopf mehr als ein Dutzend Videokameras hängen.
Ein kleiner Gag zu Beginn, die Kameraaugen sind blind und in ihrer Anhäufung wirken die Dinger lächerlich, gerade mal einen Meter voneinander entfernt. Tatsächlich ist der öffentliche Raum voll von ihnen, fast nirgends mehr ist man unbeobachtet.
Folgerichtig sind überall in der Ausstellung funktionierende Kameras angebracht, die die Besucher aufnehmen. Das Material wird auf kleinen Bildschirmen am Eingang abgespielt, aber nicht gespeichert. Wer sich gegen die Überwachung wehren will, dem werden braune Papiertüten mit Gucklöchern zur Verfügung gestellt. Primitiv, aber wirkungsvoll, denke ich und greife zu. Nach ein paar Minuten wird es mir zu stickig, ich lasse mich filmen.
Die Schau beschäftigt sich mit der Frage, warum Menschen oder Staaten Informationen über andere sammeln und wie sie genutzt werden. 200 Objekte werden gezeigt, eingeteilt in drei Bereiche: zwischenmenschliche Kontrolle, unternehmerische Kontrolle, staatliche Kontrolle. Ein guter Ansatz. Die öffentliche Diskussion dreht sich um die NSA-Affäre, Schnüffeleien der Amerikaner und derzeit erfreulicherweise auch verstärkt um die Rolle unseres eigenen Bundesnachrichtendiensts. Das Thema der Ausstellung ist also aktuell, spannt den Bogen aber gleichzeitig weiter.
Teil 1: zwischenmenschliche Kontrolle
Die Botschaft des erstens Teils: Auch wir selbst sind Überwacher, beobachten unsere Mitmenschen und üben so Kontrolle aus. Sehen und gesehen werden – diese Doppeldeutigkeite drückt sich auch in der Ausstellung aus. Wir alle überwachen uns gegenseitig, die Form der sozialen Kontrolle führt zu gesellschaftlichem Konsens. Das Museum zeigt Abhörvorrichtungen aus dem Jahr 1907 und einen Briefkasten für geheime Denunziationen aus dem Venedig des 14. Jahrhunderts.
Teil 2: unternehmerische Kontrolle
Unternehmen kontrollieren Menschen, die Mitarbeiter sind und ihre Kunden. Egal ob Paybackkarten oder Videoüberwachung in Kaufhäusern: Unternehmen wollen wissen, was die Konsumenten treiben. Das Sammeln von Daten gibt ihnen darüber Auskunft. Unter den Ausstellungsstücken sind auch Zeituhren, die erfassen, wann Mitarbeiter kommen und gehen. Auch das ist eine Form der Überwachung.
Teil 3: staatliche Kontrolle
Die Objekte im letzten und größten Teil der Ausstellung zeigen, dass der Staat nicht nur den öffentlichen Raum überwachen kann, sondern auch den privaten. Alles beginnt mit der Identifikation der Bürger, per Volkszählung werden sie erfasst, auch wenn es einen hohen Verwaltungsaufwand bedeutet. Gezeigt werden nicht nur Stasi-Abhöranlagen aus der DDR-Zeit als historisches Relikt, sondern auch ein Anti-Drone-Hoodie aus mit Metall bedampftem Stoff – quasi die moderne Expertenversion der Papiertüte vom Eingang.
Wenn Technik uns in die bestmögliche Richtung lenken will, geht Freiheit verloren. Das Grundmotiv der Ausstellung, Kontrolle, zeigt sich nicht nur im Bürger-Staat-Verhältnis. Auch Unternehmen und unsere Mitmenschen kontrollieren uns, wenngleich mit abnehmender Machtfülle. Sie sammeln Informationen und wollen uns beeinflussen. Die Ausstellung stellt das in ihrer klaren dreiteiligen Gliederung gelungen heraus, mit Blick für Abstufungen. Unser Alltag zwingt uns ständig in eine Kontrollsituation und viel zu oft begeben wir uns freiwillig hinein, das ist mir nach der Ausstellung klar. Aus Bequemlichkeit, Konformismus, Angst, Unwissenheit. Wir müssen bessere Mechanismen entwickeln als die Papiertüte, die Ausstellungsbesuchern gereicht wird. Ich will den Staat kontrollieren können. Nicht andersrum.
Die Ausstellung ist noch bis zum 24. August 2014 im Berlin Museum für Kommunikation zu sehen und läuft seit 21. März.
Bildergalerie: eigene Aufnahmen