Youtuber Noy Alooshe belebt mit seinen Mashup-Videos von Politikern den Wahlkampf in Israel. In der Hoffnung auf einen Remix von ihm schreiben sogar manche Kandidaten ihre Reden um.

Netzkolumnistin: Wie gefürchtet bist du unter israelischen Politikern?

Noy Alooshe: Gar nicht! Die Politiker in Israel sprechen gerne über meine Videos.

Netzkolumnistin: Warum? Deine Remixe veralbern doch das, was sie sagen oder wie sie es sagen.

Alooshe: Vor ein paar Jahren wollte niemand was mit Youtube oder Facebook am Hut haben, alle wollten nur Radiointerviews geben. Jetzt wollen sie klar machen, dass sie online vorne mit dabei sind. Sie zeigen meine Videos von ihnen her, um zu beweisen, dass sie im Netz wer sind.

Netzkolumnistin: Also Wut runterschlucken zugunsten von Likes?

Alooshe: Auch wenn die Videos auf die Kosten der Politiker gehen: Wenn sie gut reagieren, können sie ja von der Aufmerksamkeit profitieren.

Netzkolumnistin: Und darum geht es?

Alooshe: Es ist Wahlkampfzeit in Israel. Manche Politiker gehen noch weiter. Sie texten ihre Reden jetzt so, dass sie der perfekte Steinschlag für meine Arbeit sind. Sie wollen, dass ihre Rede viral geht, zum Meme wird. Sie senden mir Botschaften und hoffen, dass ich sie erhöre.

Netzkolumnistin: Und diese Botschaften bildest du dir nicht nur ein?

Alooshe: Nein. Yair Lapid hat zum Beispiel einmal in einer Rede auffällig häufig das Wort „entrückt“ benutzt, als er über Netanyahu gesprochen hat. Wie entrückt er doch sei und so weiter. Am nächsten Morgen kriege ich einen Anruf von seiner Partei, die mich nach einem Remix fragt. Die vielen Wiederholungen würden sich doch gut anbieten, haben sie gesagt. Und das ist kein Einzelfall.

Netzkolumnistin: Deine Videos spielen mit Wortfetzen von Politikern, unterlegt durch Beats. Ist das überhaupt politisch?

Alooshe: Ich bin Musiker, ein Kreativer. Aber ich habe mich schon immer für Politik interessiert. Für mich ist meine Arbeit wie eine Folge „House of Cards“ schauen. Dank des Internets bin ich nicht mehr nur ein Zuschauer vor dem Fernseher, sondern ich kriege das ganze Filmmaterial im Netz und kann damit experimentieren. Über die Videos drücke ich meine Haltung zu Themen aus.

Netzkolumnistin: Bist du parteiisch? Oder kriegen alle Politiker ihr Fett weg?

Alooshe: Ausgewogenheit interessiert mich nicht. Viele denken, ich stehe politisch links. Aber ich benutze einfach öfter Material von den Parteien, die gerade an der Regierung sind und das sind gerade eben die rechten. Natürlich habe ich auch ein Video über Netanyahus Rede vor dem Kongress gemacht. Ich habe meine Lieblinge  unter den Kandidaten, die ich besonders gerne einbaue. (Hier ein Beispiel)

Netzkolumnistin: Alle Parteien bringen ständig ihre eigenen Wahlkampfvideos über ihre Kandidaten online. Sind sie Konkurrenz für dich?

Alooshe: Naja. Alle Parteien haben versucht, mich anzuwerben. Ich habe abgelehnt. Als diese ganzen Videos kamen, habe ich schon kurz gedacht: Ob sich noch jemand für meine interessiert? Die Antwort ist: ja. Ich sehe es so: Durch mich ist überhaupt erst das Bewusstsein da, wie wichtig virale Videos für den Wahlkampf sind. Bei den Wahlen vor zwei Jahren gab es dafür überhaupt kein Budget. Das ist jetzt anders.

Netzkolumnistin: Warum sind sie denn so wichtig?

Alooshe: Die Parteien wissen: Wenn ein Wahlkampfvideo viral geht und die sozialen Netzwerke begeistert, dann ist das Fernsehen nicht weit. Die lustigsten Spots kommen ins Fernsehen, wodurch sich ihre Reichweite dann noch mal multipliziert, kostenlos.

Netzkolumnistin: Wie verändern solche Wahlkampfvideos den Wahlkampf?

Alooshe: Durch lustige, virale Videos interessieren sich mehr Menschen für die Wahlen. Meine Videos erreichen auch Menschen, die sich sonst nicht so sehr für Politik interessieren. Die teilen das Video vielleicht zuerst, weil sie den Beat cool finden oder den Schnitt lustig. Aber dann fragen sie sich, was eigentlich dahinter steckt. Und wer eigentlich der Typ oder die Frau sind, die die ganze Zeit in der Timeline auftauchen.

Netzkolumnistin: Welche Partei macht die besten Wahlkampfvideos im Netz?

Alooshe: Ich bin von Benjamin Netanyahu und seiner Partei Likud echt überrascht. Wir alle dachten: Die Konservativen können nicht lustig sein. Und dann hauen sie dieses Video vom Bibi-Sitter raus. Das sah großartig aus und war echt lustig. Deswegen hat es auch so viel Aufmerksamkeit bekommen.

Netzkolumnistin:  Magst du Netanyahu jetzt mehr oder ist da nur professionelle Anerkennung?

Alooshe: Naja, es war das erste Mal, dass Netanyahu mir nicht wie ein Roboter vorkam.

 

Hinweis: Das Interview ist zuerst auf www.netzpiloten.de erschienen.

 

#IsraElex: Der Monat vor den Wahlen, im Netz

Unter dem Hashtag #IsraElex wird auf Twitter über die israelischen Wahlen geschrieben. Unter diesem Titel werde ich auf meinem Blog den letzten Monat vor den Knesset-Wahlen am 17. März 2015 begleiten – und über kuriose, ernste oder lustige Wahlkampf-Fundstücke aus dem Netz berichten. Folge 9 hier ist die letzte der Serie – heute sind die Wahlen!