An der Klagemauer in Jerusalem zündet die feministische Gruppe „Women of the Wall“ die dritte Chanukka-Kerze an. Die Frauen feiern ausgelassen – dem Zorn der Ultraorthodoxen zum Trotz.

Zum Glück fliegen an diesem Abend keine Tomaten oder gebrauchte Windeln. Sobald ich mich aber aus dem Kreis singender Frauen entferne, die um ihre erleuchteten Chanukkiot stehen, hören ich es Zischen. Die ultraorthodxen Männer von der anderen Seite der Mauer bringen ihren Unmut zum Ausdruck. Eine ultraorthodoxe Frau beschwert sich, zerrt eine der Frauen aus dem Kreis. Die hält sich die Ohren zu, dreht sich um, singt weiter. Wir fassen uns an den Händen, tanzen um die Lichter in der Mitte.

Es ist Dezember, Israel feiert das jüdische Lichterfest Chanukka. Die Klagemauer in der Altstadt Jerusalem wird während des achttägigen Fests zur wichtigen Anlaufstelle für Gläubige. Die Protestaktion der Gruppe „Women of the Wall“, also der Frauen der Klagemauer, bringt Jerusalems Ultraorthodoxe aber in Unruhe. Sie wollen, so wie die Männer, das Recht haben, am heiligsten Ort des Judentums Chanukka-Kerzen anzuzünden. Und machen es an diesem Abend dann einfach. Die Botschaft: Die Klagemauer gehört auch uns Frauen.

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Der Hintergrund: Männer und Frauen beten an der Klagemauer strikt getrennt. Der Bereich der Frauen ist nicht nur viel kleiner. Der prächtige Chanukka-Kerzenständer, die Chanukkia, steht im Männerteil. Frauen dürfen am heiligsten Ort des Judentums keine Kerzen anzünden, und zum Beispiel auch keine Bar Mitzvah abhalten. Das hat der ultraorthodoxe Hüter der Mauer, Rabbi Shmuel Rabinovitsch, so entschieden. Er hat laut der feministischen Gruppe gesagt, die Chanukkia ließe sich auch vom Frauenteil aus einsehen. Na toll.

Ein paar Kerzenständer sind konfisziert worden, etwa 30 haben es durch die Kontrollen geschafft. Anders als in vielen israelischen Medien dargestellt hat es die amerikanisch-jüdische Komikerin Sarah Silverman ebenfalls nicht an den Wächtern vorbei zu der Protestaktion geschafft, aber ihre Schwester, ein Rabbi, ist da.

Naama Peled.

Naama Peled.

Naama Peled, Studentin aus Jerusalem, engagiert sich seit Jahren für die „Women of the Wall“ und hat Zeiten der Bewegung erlebt, als der Widerstand gegen die Bewegung noch größer war. „Sie haben uns zu Dutzenden festgenommen“, sagt Peled. Eine Handyvideo zeigt tausende Ultraorthodoxe, die sich vor der Mauer versammelt haben, um den Zugang für die Gruppe zu blockieren. Polizisten müssen die Aktivistinnen schützen. „Ich hatte Angst, es war eines der furchteinflößendsten Dinge, die ich erlebt habe.“

Heute Abend ist es friedlicher. „Ich bin gerührt. Vor zwei Jahren wäre es noch nicht möglich gewesen, dass wir uns hier treffen und die Chanukkia auzünden“, sagt Peled. Über Facebook hat die Gruppe zu der Aktion eingeladen, etwa 100 sind gekommen. Ihre Chanukkia hat Peled einfach in der Tasche hineingeschmuggelt.

 Aufmacherbild und alle weiteren Fotos: Angela Gruber.