Der offizielle Start des Digitalkiosks Blendle wird mit Spannung erwartet. Ich bin seit einigen Tagen auf Blendle unterwegs und habe mir einen ersten Eindruck vom Angebot verschafft. Ich nutze es gerne, aber ein Problem habe ich noch. Ein Überblick.

Was ist Blendle?

Auf Blendle kann man Texte lesen. Von den unterschiedlichsten Zeitungen und Magazinen. Man kauft nicht gleich eine ganze Ausgabe, weil einen der Sport-Aufmacher auf Seite 28 interessiert. Sondern kann verlagsübergreifend einzelne Texte für einen Centbetrag einkaufen und sofort digital lesen. Debundling für Profis. Das Unternehmen kommt aus den Niederlanden und ist dort schon sehr erfolgreich. Investiert in die Geschäftsidee haben auch große Medienhäuser, die New York Times und Springer zum Beispiel.

Wann kann ich Blendle nutzen?

Blendle befindet sich in einer geschlossenen Beta-Phase – was bedeutet, dass aktuell nur Leute mit persönlicher Einladung Zugang bekommen. Damit ist es aber sehr bald vorbei.  Am 14. September geht Blendle offiziell an den Start. Ich habe noch ein paar Invite-Codes, schreibt mir einfach eine Mail, falls ihr einen wollt.

Wie funktioniert Blendle?

Wer ein Profil bei Blendle hat, kann durch Zeitungen und Magazine stöbern – per horizontalem Scrollen. Die Süddeutsche Zeitung ist genauso wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (mit FAS) dabei. Auch Cicero, den Kicker oder Neon gibt es. Das anfängliche Angebot umfasst knapp 15 Titel. Nicht gerade reichhaltig, aber das finde ich egal. Sehr bald könnten schließlich viele zusätzliche Titel folgen. Kurze Texte kosten fünf oder auch 15 Cent, längere Texte auch mal 89 Cent. Wer sich verklickt hat oder durch die Überschrift des Texts getäuscht fühlt (über die funktioniert die Verkaufe), kann die Geld-zurück-Funktion nutzen. Schön ist, dass man keine pdfs aufgetischt bekommt. Die Texte sind in ein gut lesbares Layout gegossen. Der Reiz eines schön designten Magazins kommt bei Blendle nicht rüber. Dafür gibt es andere Vorteile: Es gibt die Möglichkeit, Themen- oder Autorenalerts einzustellen, um immer über seinen Lieblingsjournalisten informiert zu werden. Eine App gibt es (noch) nicht, aber die mobile Version der Site funktioniert gut.

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Wie ist’s?

Bei Blendle zahle ich nur für das, was ich auch wirklich lese. Ich habe öfter den Fall, dass mich ein bestimmter Text zu meinem Themengebiet interessiert, zum Beispiel aus der FAZ, der Rest aber nicht so sehr. Manche Magazine und Zeitungen schätze ich so sehr, dass ich sie als Paket abonnieren will, daran ändert auch Blendle nichts. Aber ausgewählte andere Texte sind durch Blendle jetzt leichter erreichbar für mich. Wer nur einen schnellen Nachrichtenüberblick haben will, scrollt vielleicht auch mal nur über die frei verfügbaren Schlagzeilen hinweg. Eine kleine Presseschau. Digitales journalistisches Publizieren über Blendle ist ein spannendes Thema für uns Journalisten. Und ich glaube, das Angebot ist auch für Nicht-Journalisten interessant.  Die 2,50 Euro Startguthaben auf meinem Blendle-Konto werden während der Testphase offensichtlich nicht angetastet. Ich darf also shoppen so viel ich will und muss noch nichts zahlen. Das könnte natürlich dazu beitragen, dass ich mich auf der Blendle-Seite wohl fühle. Aber: Ich finde Blendle gut, weil ich endlich einfach an Texte komme, die mich interessieren, und nicht, weil ich nichts bezahlen muss aktuell. Das System macht Nutzer glücklich, weil es einem das Gefühl von Kostenkontrolle bei Null Streuverlusten gibt und ihnen ein breites Angebot unabhängig von Abos bietet.

Und was stört mich jetzt?

Jeder einzelne Nutzer kann bei Blendle Herzen für Texte verteilen. Kuratiert wird außerdem von einigen Medienmenschen, die bestimmten Ressorts zugeordnet sind. Sehr viele dieser Kuratoren, die Blendle angeheuert hat, sind Männer. Geld gibt es keins, aber einen Blendle-Zugang.

Tech: sieben Männer. Null Frauen.

Medien: sieben Männer. Null Frauen.

Interviews: drei Männer. Null Frauen.

Ausland: zwei Männer. Null Frauen.

Wissenschaft: drei Männer. Null Frauen.

Das führt dazu, dass Frauen in meinem Blendle-Netzwerk weniger präsent sind und mir Texte in den Themenbereichen fast ausschließlich von Männern empfohlen werden. Das kann auch mal Tilo Jung im Auslands-Ressort sein. Keine Ahnung, wie die Geschlechterverteilung insgesamt aussieht auf Blendle (mein Eindruck: stark männerlastig), aber gerade die Benennung von Kuratorinnen wäre da ja ein guter Ausgleich. Ich habe Blendle auf den Frauenmangel hingewiesen und einige tolle Journalistinnen empfohlen. Man wolle sich das Problem ansehen, war die erfreulich schnelle Rückmeldung des Unternehmens. Vielleicht hat sich ja bis zum 14. September schon was getan.

Foto: Damen Shaw via Flickr / CC-BY-Lizenz