„In Berlin bekommt man Dinge erledigt“: Immer mehr Gründer aus Israel kehren ihrer Heimat den Rücken, um ihre App-Ideen in der deutschen Hauptstadt umzusetzen. Daniel Paz von „Capsuling Me“ hat den Schritt gewagt. Ich habe ihn auf einem Besuch in seiner alten Heimat Israel für ein Interview* getroffen.

Netzkolumnistin: Warum bist du als junger Gründer nach Berlin ausgewandert?

Daniel Paz: Ich bin Ende 2012 für „Capsuling Me“ nach Berlin gezogen. Mein Partner Michael Ronen war schon da. Schon damals war absehbar, dass Berlin sich zum Gründerzentrum entwickelt. Es ist einfach, sich in Berlin daheim zu fühlen. In Berlin bekommt man Dinge erledigt. Die Stadt hat eine effektive Verwaltung, das klappt alles wie am Schnürchen, auch wenn man Ausländer ist. Ich mag außerdem, dass die Stadt sehr international ist. Man muss nicht unbedingt Deutsch können hier. Und was für Start Ups ganz wichtig ist: Berlin ist nicht so teuer wie etwa London.

Netzkolumnistin: Aber du kommst aus Israel – einem Land, das den Spitznamen „Start Up Nation“ hat und bekannt ist für seinen innovativen High-Tech-Sektor. War Tel Aviv keine Option?

DP: Für uns hat es von Anfang an Sinn gemacht, unsere Idee in Berlin auszuprobieren. Berlin und Tel Aviv ergänzen sich durch ihre Stärken. Wir wollten sozusagen das Beste beider Welten.

Netzkolumnistin: Was meinst du konkret?

DP: Aus Israel kommen viele gute Programmierer. Die Leute hier kommen über den Armeedienst schon sehr früh in Kontakt mit High Tech und haben eine gute Ausbildung. Über Tel Aviv schwebt dieser tolle Unternehmersgeist, gerade in der Tech-Szene. In Berlin ist man total offen für gute Ideen und gleichzeitig gibt es ein großes Qualitätsbewusstsein und eine sehr strukturierte Herangehensweise. Da ensteht eine Symbiose.

Netzkolumnistin: Bist du ein israelischer Gründer mit deutschem Start Up?

DP: Hmm. Ich denke gar nicht in diesen Nationalitäten-Kategorien. Ab einem gewissen Level an Internationalität machen diese Labels keinen Sinn mehr. Wir sind immer noch ein kleines Start Up, ich sehe mehr die einzelnen Leute und nicht ihre Pässe.

Netzkolumnistin: Gibt es noch Verbindungen nach Israel?

IMG_2798

Daniel Paz in Jerusalem.

DP: Ja. Wir sind fünf Leute. Drei arbeiten in Berlin, die zwei Programmierer sitzen in Tel Aviv. Unser Büro ist das Internet, wir kommunizieren online und offline und haben ein paar coole Apps, die uns die Organisation erleichtern. Alle paar Monate komme ich für ein paar Tage nach Israel, um Investoren und andere Leute zu treffen. Im Gegensatz zum Silicon Valley ist Berlin eben auch nur vier, fünf Flugstunden von Israel entfernt.

Netzkolumnistin: Hast du den Schritt, in Deutschland zu gründen, je bereut?

DP: Nein. Die Eingewöhnung war nicht schwer. In Berlin gibt es eine starke israelische Community, die einem hilft, und auch unter den Start Ups selbst gibt es Unterstützung. Als wir unser Gewerbe angemeldet haben, hatten wir erst mal einen dicken Papierstapel mit deutschen Formularen im Briefkasten, das musste jemand übersetzen. Auch Acceleratorprogramme, zum Beispiel von Immobilienscout, haben uns in unserer Anfangsphase geholfen, genauso wie so eine Einrichtung wie das Betahaus.

Netzkolumnistin: Im Zuge der Milky-Proteste hat ein israelischer Politiker den Wegzug von Israelis nach Berlin anti-zionistisch genannt. Wie war es für dich, als Israeli ausgerechnet nach Deutschland zu kommen? 

DP: Ich sage es mal so: Es wird immer extreme Positionen auf beiden Seiten geben. Ich versuche, mit meiner Firma positive Verbindungen zu schaffen. Auch meine Familie war vom Holocaust betroffen, ich habe österreichisch-ungarische Wurzeln. Es war eine emotionale Entscheidung für mich, zu gehen, ja. Aber ich bin froh, dass ich sie getroffen habe.

Netzkolumnistin: Fandest du Berlin auch mal richtig doof?

DP: Ja, im Winter vor zwei Jahren. Da war es einfach zu kalt.

*

Das Interview haben wir auf Englisch geführt. Ich habe Paz‘ Äußerungen ins Deutsche übersetzt.

Capsuling Me ist eine App, die Nutzern abhängig von ihrem Aufenthaltort multimediale Inhalte anbietet.

Mehr über das Thema: Ich habe dazu auch einen Artikel im Tagesspiegel veröffentlicht. Daniel kommt auch vor. Der Text ist leider nicht online. Aber SPON hatte auch mal was dazu.

 Aufmacherbild: Berlin. Angela Gruber.