Der Fotograf Simon Menner macht Überwachung sichtbar – durch einen Blick in die deutsche Vergangenheit. Er hat drei Jahre lang Überwachungs-Fotos der Stasi durchforstet und in den Archiven Bilder der Spione aufgespürt, die seit dem Zusammenbruch der DDR niemand angesehen hatte. Die Aufnahmen sind aktueller denn je, sagt Menner. Auf dem CCC-Kongress in Hamburg hat er seine Arbeit vorgestellt.
Überwachung ist meistens etwas Unsichtbares. Sie tut erst einmal nicht weh, ist eine abstrakte Größe, trotz ihrer sehr handfesten Folgen.
Simon Menner aus Berlin hat sich auf die Suche gemacht nach historischen Spuren staatlicher Überwachung auf deutschem Bundesgebiet. Menner interessiert sich dafür, welche Zeugnisse des Stasi-Überwachungsapparats der DDR übrig geblieben sind. Seine Suche nach Überwachungs-Fotos begann schon vor mehreren Jahren und führte ihn in das Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde.
Während die Akten des Archivs auch heute noch Gegenstand intensiver Nachforschungen sind, begann Menner nach Material zu graben, für das sich bisher niemand sonderlich interessiert hat: Er wollte die Überwachungs-Fotos der Stasi. „Das Archiv führt genau Buch darüber, wer welche Unterlagen einsieht. Bei den Fotos war ich oft der Erste überhaupt, der sie sehen wollte“, sagt Menner. Auf dem Chaos Communication Congress in Hamburg, dem 32c3, stellte Menner seine Ergebnisse in einem Vortrag vor.
Foto-Anleitungen zeigten Stasi-Leuten, wie sie sich tarnen sollen
„Ich habe über Hinweise auf Bilder gelesen, aber die Bilder waren nicht verfügbar“, sagt Menner über den Start seiner Recherche, die sich drei Jahre hinziehen sollte. Sie förderte Bilder zutage, die Stasi-Mitarbeiter im Geheimen von nichtsahnenden Zielpersonen schossen, aus präparierten Kinderwägen oder Aktenkoffern mit versteckten Kameras.
Noch interessanter findet Menner Bilder, die nur für den Stasi-internen Gebrauch bestimmt waren. Foto-Anleitungen für Stasi-Mitarbeiter zeigen, wie die Spione sich kleiden sollten, um nicht aufzufallen, wie unechte Bärte und Perücken getragen werden.
Fotos vom Geburtstag eines ranghohen Stasi-Mitarbeiters zeigen seine Kollegen, die sich als ihre Zielobjekte verkleidet haben: Fußballer, Geistliche, Juristen, Friedensaktivisten. „Für mich war gerade der Blick hinter die Kulissen interessant: Wie blickt so ein Dienst wie die Stasi auf sich selbst und was offenbart der Blick nach Innen unfreiwillig?“, sagt Menner.
„Das Ausufern des Überwachungsstaats wiederholt sich gerade“
Seine Überwachungs-Fotos sind nicht nur für Historiker interessant, glaubt er. Es gebe vielfältige Bezüge zur heutigen Situation in der Bundesrepublik. „Bei der Stasi finden sich Argumente für ihr Dasein, die sich auch heute in der Überwachungsdebatte wiederfinden“, sagt Menner zum Beispiel. „Die Stasi zog ihre Daseinsberechtigung aus der Konstruktion einer Bedrohung. Der Apparat wuchs immer weiter aus dem Gefühl, man habe sich nicht genug abgesichert, man hat noch nicht umfassend genug Informationen gesammelt. Das hat den Staat zerstört“, sagt Menner. „Das Ausufern des Überwachungsstaats wiederholt sich gerade.“
Am stärksten von seinen Überwachungs-Fotos hat Menner ein Polaroid eines zerwühlten Betts fasziniert. Die Stasi schoss solche Polaroids, bevor sie eine Wohnung durchsuchte. Die Abzüge sollten dabei helfen, den Ursprungszustand der Wohnung beim Verlassen wiederherzustellen, sodass ihre Bewohner nichts von der Durchsuchung bemerkten.
„Das ungemachte Bett ist ein klassisches Motiv von Harmlosigkeit, ein Motiv der Unschuld. In dem Polaroid ist das ungemachte Bett aber kein ungemachtes Bett“, sagt Menner. „Es verweist auf etwas zutiefst Perverses. Das Bild ist Indiz für einen fundamentalen Einbruch in die Privatsphäre der Menschen.“
Bildcredits: Alle Fotos sind von Simon Menners Webseite. Dort finden sich noch viel mehr Überwachungs-Fotos der Stasi.
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